„Der deutsche Wald braucht einen Pakt zwischen Waldbesitzern, Holzwirtschaft und Politik, um die größte Borkenkäferkalamität der Nachkriegszeit weitgehend ohne den Einsatz von Insektiziden bewältigen zu können“, so der Vorsitzende des Gemeinsamen Forstausschusses „Deutscher Kommunalwald, Dr. Karl-Heinz Frieden, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz, und Dr. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, anlässlich der Bundestagung des Gemeinsamen Forstausschusses „Deutscher Kommunalwald“ am 01. April 2019 in Schmallenberg. Borkenkäferholz müsse viel schneller aus dem Wald! Helfen könnte die befristete Befreiung der Holztransporte von der Mautgebühr, ferner die Anhebung der Fracht-Tonnage je Lkw auf 52 t sowie die Erhöhung der Zuschüsse für den zeitnahen Abtransport der Kalamitätshölzer auf Zwischenlagerplätze außerhalb des Waldes.
Einsatz von Insektiziden im Wald nur als ultima ratio
Die kommunalen Waldbesitzer suchen nach Wegen, die naturnahe und bislang Chemie einsatzfreie Waldwirtschaft auch unter der ab dem Frühjahr weiter fortschreitenden Borkenkäfer-Großkalamität zu bewahren. Das Thema „Insekten- und Bienenschutz“ hat nicht nur zuletzt im waldreichen Bundesland Bayern durch eine Volksinitiative mit über 1,7 Millionen Unterschriften für Furore gesorgt. Die kommunalen Waldbesitzer sehen auch daher den Einsatz von Insektiziden im Wald nur als ultima ratio an, wenn alle anderen Maßnahmen ausgelotet wurden und nicht mehr greifen.
„Über 80 % der Käfer haben den milden Winter 2018/2019 überlebt und werden im Frühjahr wieder loslegen. Sie stellen erneut eine große Gefahr für gesunde Fichtenbestände dar. Die beste und effektivste Strategie zur Borkenkäferbekämpfung ist eine „saubere Waldwirtschaft“: Befallene Fichten müssen eingeschlagen und entrindet oder – wo dies nicht möglich ist - schnellstmöglich aus dem Wald gebracht werden. Die Politik hat das Problem erkannt. Eine staatliche Förderung dieser Maßnahmen ist im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" (GAK) möglich. Nun muss sich auch die Holzindustrie verpflichten, sämtliche Hölzer einschließlich Industrieholz mit tau-senden Borkenkäfern unter der Rinde binnen kürzester Zeit aus dem Wald abzufahren. Die Länderbehörden sollen Lagerplätze zügig und unbürokratisch genehmigen, um eine Zwischenlagerung außerhalb der Wälder zu ermöglichen. Diese Methoden sind zeit-, arbeits- und kostenaufwendig. Hier erwarten wir vom Bund und den Ländern weitere umfassende Hilfestellungen finanzieller und struktureller Art“, so Dr. Frieden und Dr. Landsberg.
Holzindustrie ist ebenfalls gefordert
Neben einem Appell an die Politik, mechanische und logistische Maßnahmen noch umfassender als bisher vorgesehen zu fördern, sehen die Kommunalwaldvertreter auch die Partner aus der holzverarbeiten-den Industrie in größerer Verantwortung. „Während die Abnehmer von sogenanntem „Papierholz“, bei dem ausnahmslos nur aus frischen Waldholz Zellulose für die Papierherstellung gewonnen wird, werksseitig auf eine rasche Abfuhr aus dem Wald achten, stellt sich die Problematik bei dem sogenannten „Industrieholz“ (Fichten mit Holzfehlern) anders dar“, erläutern Dr. Frieden und Dr. Landsberg.
Allein aus Kostengründen für den Holztransport zwischen Wald und Spanholzwerk werde Industrieholz häufig zu lange über viele Monate im Wald belassen. Verschärft durch die Ausdehnung der Mautgebühr auf das gesamte 39.000 Kilometer lange Bundesstraßennetz zähle jedes Kilogramm weniger an Holzgewicht beim Abtransport mit dem Lkw oder auch der Bahn. Die Spediteure bevorzugten daher die Beladung mit trockenem und leichterem Holz. Der einzelne Lkw oder Güterwagon könne somit mehr Holz laden und Frachtkosten sparen. Das sei auch der Grund, weshalb die frischen und schweren Holzpolter mit lebenden Käferbefall unter der Borke aus Forstschutzsicht zu spät angesteuert werden. Wenn das Holz nicht abgefahren werde, müssten die Polter letztendlich mit zugelassenen Pflanzenschutzmitteln behandelt werden. Nur so könne dann noch der Ausflug der Käfer aus ihrer Brutstätte und der Befall neuer Bäume verhindert werden. Hier sei ein Umdenken aller Partner erforderlich, um durch intelligente Lösungen ganz im Sinne des Insekten- und Artenschutzes den Chemieeinsatz im Wald weiterhin entbehrlich zu machen.
Die befristete Erhöhung der Tonnage sei ein wichtiger Betrag zur Verbesserung der angespannten Situation bei den Transportkapazitäten. Darüber hinaus komme dies dem Klimaschutz zugute, weil Treibstoff eingespart werde. In europäischen Nachbarländern wie Skandinavien, Frankreich und den Niederlanden lägen die Werte zwischen 50-55 t je Lkw.
Holzlagerplätze für Kalamitätshölzer unbürokratisch und schnell genehmigen
Die Holzindustrie sei in dieser Krise auch in besonderem Maße gefordert, mit Unterstützung der Forstbehörden, Waldbesitzer und Kommunen Zwischenlagerplätze außerhalb des Waldes für akut befallene Hölzer anzulegen. Die Ausgaben für die Einrichtung, Unterhaltung und den Betrieb der Anlagen werden über die GAK bis zu 80 % bezuschusst. Gleichzeitig müssten die Länderministerien dafür Sorge tragen, dass ihre nachgeordneten Behörden (Bezirksregierungen, Untere Wasser- und Naturschutzbehörden bei den Kreisen und Landratsämtern) die Genehmigungen unbürokratisch und zügig erteilen.
Bundesweites Schadensmonitoring soll Schäden in den Wäldern ermitteln
Angesichts des besorgniserregenden Zustandes der Wälder befürchten die Kommunalwaldvertreter, dass die Bundesmittel in Höhe von 25 Millionen Euro für 16 Bundesländer in fünf Jahren nicht ausreichen werden, um dem extremen Schadensausmaß gerecht zu werden. Diese Höhe würde auf das Jahr und Hektar bezogen weniger als einen Euro ausmachen.
„Wir brauchen dringend belastbare Zahlen über das tatsächliche Schadensausmaß in unseren Wäldern durch Trockenheit, Insektenbefall und anderer Ursachen, um auf dieser Basis Entscheidungen über geeignete und notwendige Hilfsmaßnahmen treffen zu können“, so Dr. Frieden und Dr. Landsberg. Sie appellieren an das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), nunmehr zeitnah ein bundesweites Monitoringsystem zur Schadensermittlung über alle Waldbesitzarten einzurichten. Die Einrichtung eines "kontinuierlichen Monitoringsystems über Auftreten und Entwicklung der Schäden im Wald unter Beteiligung des Thünen-Instituts und des Julius-Kühn-Instituts" wurde bereits in einer Expertenrunde des BMEL mit Vertretern der Verbände und der Wissenschaft am 10.10.2018 in Berlin vereinbart.
Für Rückfragen steht Frau Ute Kreienmeier (Referatsleiterin Kommunalwald, Umwelt und Naturschutz; Deutscher Städte- und Gemeindebund) unter Mobil: 0171 9533684 zur Verfügung. Sollten Sie das Foto für Pressezwecke in einer höheren Auflösung benötigen, wenden Sie sich bitte an Daniela Muß unter der Telefonnummer: +49 228-95 96 221.
Seit dem Orkan „Kyrill“ in 2007 lösen sich einstmals geschlossene Fichtenwaldungen großflächig auf. Die in der linken Bildhälfte rötlich schimmernden Birkennaturverjüngungen und die hellen Sukzessionsflächen aus Waldreitgras im hinteren Bildmittelpunkt schafften in 2007 die ersten Angriffsflächen im Waldgefüge. Durch Orkan „Friederike“ im Januar 2018 mit Dürre und Borkenkäferbefall ab den Sommermonaten sowie Sturm „Eberhard“ jetzt im März 2018 sind hier im Bildaussschnitt entlang des bekannten Börde-Wanderwegs allein weitere 50 Hektar Kahlflächen entstanden. Und ein Ende der Kalamitäten ist nicht in Sicht.