Die Bürgermeister waldbesitzender Kommunen befürchten, dass das Kartellrecht in NRW – wie zuvor schon in Baden-Württemberg – die bewährten Strukturen der forstlichen Betreuung des Kommunalwaldes aufbrechen wird. So wird fast ein Drittel des Kommunalwaldes (rd. 56.000 Hektar) entweder vom Staat oder in Forstbetriebsgemeinschaften betreut. Dadurch entstehen vergleichsweise große Einheiten, in denen das Bundeskartellamt die Gefahr einer Monopolstellung insbesondere bei der Holzvermarktung sieht.
Seitens der Kartellbehörde wird eine klare strukturelle Trennung der Bewirtschaftung des Staatswaldes auf der einen Seite und der Bewirtschaftung des Körperschafts- und des Privatwaldes auf der anderen Seite verlangt. So hat das Bundeskartellamt dem Land Baden-Württemberg im Juli 2015 die Holzvermarktung sowie verschiedene andere Dienstleistungen für kommunale und private Waldbesitzer untersagt, soweit deren Forstbetriebe über 100 ha Größe liegen. Das Land Baden-Württemberg klagt gegen diese Untersagungsverfügung vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf, mit dem Urteil wird am 15. März 2017 gerechnet.
„Die Zusammenarbeit mit den staatlichen Forstämtern hat sich bewährt. Die bisherige moderne Forstverwaltung ist ein gutes Beispiel von Kooperation zwischen Staat, Kommunal- und Privatwald. Größere Einheiten werden gemeinsam kosteneffektiv verwaltet, vermarktet und die Natur geschützt. Das steht jetzt auf dem Spiel, wenn das Kartellrecht diese Strukturen verbietet“, so der Vorsitzende des Gemeindewaldbesitzerverbandes NRW, Bürgermeister Bernhard Halbe (Schmallenberg).
Zwischen Wettbewerb und Daseinsvorsorge
„Auch wenn die Kartellbehörde bislang noch kein offizielles Verfahren gegen NRW eingeleitet hat, wäre es fahrlässig, nicht zeitgleich eine Plan B zu entwickeln. Wir benötigen dabei Strukturen, die den wettbewerbsrechtlichen Anforderungen genügen, aber gleichzeitig auch der Bedeutung des Waldes für die Eigentümer und für die Gesellschaft Rechnung tragen. Unsere qualitativ hochwertige Waldbewirtschaftung, das flächendeckende Dienstleistungsangebot und der Einsatz gut ausgebildeter Forstleute dürfen im Gefolge des Kartellverfahrens nicht unter die Räder geraten.
Sobald sich die Forderungen der Kartellbehörde an NRW konkret abzeichnen, müssen wir in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit dem Ministerium und dem Landesbetrieb Wald und Holz NRW neue, eigenständige Organisationsformen erarbeiten und diese zu gegebener Zeit mit dem Bundeskartellamt erörtern. An die Stelle einer verbindlichen landesweiten Forstorganisation werden vermehrt regional angepasste Lösungen treten. Besondere Bedeutung kommt dabei kommunalen Kooperationsmodellen zu“, so der Geschäftsführer des Gemeindewaldbesitzerverbandes NRW, Dr. Gerd Landsberg.
Steht das Gemeindeforstamt vor einer Renaissance?
Auch das „Gemeindeforstamt könnte vor einer Renaissance stehen. Bis 1970 war der größte Teil des Kommunalwaldes in 14 Gemeindeforstämtern organisiert, die sich bis auf das Gemeindeforstamt Willebadessen (Westfalen) und Aachen (Rheinland) auflösten. Nach der Verabschiedung des ersten Landesforstgesetzes von 1969 und der Bildung der Einheitsforstämter wurden die Gemeindeforstämter mit eigenständigen Strukturen einer Kommunalforstverwaltung vielerorts in die Einheitsforstverwaltung des Landes überführt.
Das Kartellverfahren berührt die rund 300 Gemeinden, Kreise, Zweck- und Landschaftsverbände mit insgesamt rund 36.000 Hektar Wald, die Mitglied in einem der 260 forstlichen Zusammenschlüsse (Forstbetriebsgemeinschaften) mit einer Gesamtwaldfläche von über 300.000 Hektar sind und vom Landesbetrieb betreut werden. Alle dort bestehenden Verträge könnten nichtig werden, wenn die Betreuungstätigkeiten der 16 Regionalforstämter zukünftig nur noch mit Einzelwaldbesitzern oder Forstbetriebsgemeinschaften unter 100 Hektar Waldbesitzgröße erfolgen dürfen.
Darüber hinaus müssten sich die Kommunen, die einen Betriebsleistungsvertrag mit dem Landesbetrieb abgeschlossen haben, neu organisieren. Dies sind die Gemeinden Nettersheim, Dahlem und Niederkrüchten sowie die Städte Bad Münstereifel, Monschau, Wermelskirchen, Höxter, Bad Driburg, Marl, Krefeld, Grevenbroich und Mönchengladbach mit zusammen rund 16.300 Hektar Waldfläche. Betriebsleitungs- und Beförsterungsverträge mit dem Landesbetrieb haben die Gemeinden Kall, Wilnsdorf (81 Hektar) und Hellenthal sowie die Städte Beverungen und Brakel mit zusammen rd. 3.400 Hektar Waldfläche abgeschlossen.
Hintergrund zum Kartellverfahren Forstwirtschaft/Rundholzvermarktung in Baden-Württemberg
Im Juli 2015 untersagte die Kartellbehörde dem Land Baden-Württemberg die Nadelrundholzvermarktung für kommunale und private Waldbesitzer, soweit deren Forstbetriebe eine Größe von 100 Hektar überschreiten. Darüber hinaus soll es staatlichen Förstern nicht mehr erlaubt sein, die in ihren Revieren liegenden kommunalen und privaten Waldbesitzer fachlich umfassend zu betreuen. Dazu zählen der Waldbau, das Holzauszeichnen sowie die Holzernte und die Bereitstellung des Rohholzes einschließlich seiner Registrierung. Dagegen klagte das Land. Ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Düsseldorf ist für den 15. März 2017 angekündigt.
Nach dem Verlauf der mündlichen Verhandlungen wird davon ausgegangen, dass das Gericht die Auffassung des Bundeskartellamtes in den zentralen Punkten bestätigt. Das würde die Vermarktungs- und Bewirtschaftungsstrukturen des Kommunalwaldes vor gravierende organisatorische, personelle und finanzielle Veränderungen stellen. Auch wenn sich die Ermittlungen des Bundeskartellamtes formal gegen staatliche Frostverwaltungen richten, sind die vielen kommunalen und privaten Waldbesitzer, die heute staatliche Dienstleistungen in Anspruch nehmen, die eigentlich Betroffenen.
Auf der Bundesebene wurde darüber hinaus seit zweieinhalb Jahren strittig über eine Änderung des Bundeswaldgesetzes diskutiert, die Ende 2016 vom Bundestag beschlossen wurde. Mit der Änderung will der Gesetzgeber klarstellen, dass sämtliche der Holzvermarktung im engeren Sinne vorgelagerten Tätigkeiten, insbesondere die waldbaulichen Betriebsarbeiten, nicht dem Wettbewerbsrecht unterfallen. Verlässlichkeit und Rechtssicherheit dieser Lösung werden allerdings vom Bundeskartellamt unter Hinweis auf vorrangiges europäisches Wettbewerbsrecht in Zweifel gezogen.